Bewertung des Weltportfolios nach Gerd Kommer

Gerd Kommer ist der deutschsprachige Experte und überzeugter Werber für das passive Investieren mit ETFs. Er war vor Gründung seiner Finanzberatung für vermögende Privatkunden Investmentbanker im In- und Ausland, promovierte zum Thema passives Investieren für Privatanleger und wurde insbesondere als Autor des Bestsellers Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs bekannt. In diesem Buch stellt er das Kommersche Weltportfolio vor, das wir uns im Folgenden anschauen. Neben der Umsetzung für den Privatanleger mit konkreter ETF-Auswahl, liegt der Fokus auf der Bewertung von Kommers Weltporfolio. Ist es ein geeignetes Multi-Asset-Portfolio, welches unkorrelierte Anlageklassen kombiniert?

Hintergrund: Kommer plädiert für Diversifikation

Kommer argumentiert als Verfechter der Theorie der effizienten Märkte in seinem Buch wohlbegründet und leicht verständlich gegen jede Form von aktiver Anlagestrategie (Market-Timing und Stock Picking, egal ob auf Basis fundamentaler oder technischer Analyse), und legt die Probleme der Finanzbranche offen (hohe Gebühren, Beratung mit dem Ziel die eigene Provision zu maximieren, wertlose Prognosen, Investmentpornografie der Medien). Nicht ohne Grund ist dieses Buch ein Klassiker, inzwischen in fünfter Auflage erschienen, Pflichtlektüre für Einstieger in die private Geldanlage, ohne Einschränkung empfehlenswert. Insbesondere bevor man sich in Einzelaktien-Investments stürzt, sollte man das Buch verstanden haben.

Kommer hält ein Plädoyer für Diversifikation über Anlageklassen zur Senkung von Rendite- und Wertschwankungen, gemäß dem heiligen Gral des Investierens, wie im Artikel Vorteile eines Multi-Asset-Portfolios motiviert: das Gesamtrisiko eines Portfolios aus verschiedenen nicht vollständig korrelierten Anlageklassen ist kleiner als die Summe oder der Durchschnitt der Einzelrisiken. So ist es möglich gleichzeitig die Gesamtrendite zu erhöhen und das Gesamtrisiko zu reduzieren. Diese Grundidee ist die Basis für die Bewertung von Kommers Weltportfolio.

Kommer empfiehlt die Beimischung einer Asset-Klasse sofern die Korrelation zum Portfolio höchstens 0,8 beträgt. Je niedriger die Korrelation, umso wertvoller ist eine Anlageklasse für die Diversifikation, wobei es leider praktisch keine Assetklassen mit stabiler Korrelation nahe -1,0 gibt. Die Korrelationen der investierbaren Anlageklassen schwanken, liegen aber zumeist im Bereich -0,1 bis +1,0. Ein Multi-Asset-Portfolio beseitigt durch Diversifikation die Anlageklassen-spezifischen Risikofaktoren, beispielsweise Sensitivität auf Zinssekungen.

Das Welt Portfolio ist seine Antwort auf die Fragen nach Auswahl und Gewichtung der Asset-Klassen. Bevor wir dies im nächsten Abschnitt vorstellen und danach Kommers Weltportfolio bewerten, betrachten wir die Grundprinzipien, an denen er sich bei der Zusammensetzung orientierte:

  • mindestens fünf möglichst gering korrelierende Anlageklassen
  • Berücksichtigung aller Haupt-Asset-Klassen: Cash, Anleihen, Aktien, Immobilien, Rohstoffe
  • Verzicht auf Gold (niedrige historische Rendite bei einem hohen Risiko)
  • höchste Gewichtung bei Aktien als Asset-Klasse mit langfristig höchster Rendite
  • globale Streuung des Aktien-Investments, Auswahl gemäß der Faktoren Value und Small Caps (Nebenwerte)
  • Buy-and-Hold mit regelmäßigem Rebalancing, kein Market Timing
  • Risikosteuerung ausschließlich über Gewichtung des risikofreien Portfolio-Anteils

Das Weltportfolio: Asset Allocation

Kommer unterscheidet zunächst zwischen risikobehaftetem Portfolioanteil und risikofreiem Portfolioanteil. Die Gewichtung ist individuell je nach Anlagehorizont und Risikotoleranz zu wählen. Im buch wählt er beispielhaft 30% risikofreier Anteil und empfiehlt nur sehr risikotoleranten Anlegern mit mindestens 10 Jahren Anlagehorizont eine geringere Gewichtung. Für den risikofreien Anteil empfiehlt er kurzlaufende oder mittelfristige deutsche Staatsanleihen bis 4 Jahre Restlaufzeit, Bankguthaben und Festgelder (im Rahmen der Einlagensicherung von 100.000 EUR pro Institut) und Geldmarktfonds.

Der risikobehaftete Anteil wird durch Aktien der entwickelten Welt (Nordamerika, Europa, Pazifik), Aktie der Schwellenländer (Emerging Markets), Immobilienaktien (REITs) und Rohstoffe gebildet:

Kommer Weltportfolio: Asset Allocation

Je nach Ausgabe seines Buches gestaltet er den Aktienanteil entwickelte Welt leicht unterschiedlich, was für die grundsätzliche Bewertung des Kommer-Weltportfolios aber nicht entscheidend ist. Zusammengefasst spricht sich Kommer für eine Übergewichtung von Value-Aktien, Nebenwerten (Small Cap, also Aktien mit geringer Marktkapitalisierung) und Schwellenländern aus, da in der Vergangenheit im Vergleich zum Aktien-Gesamtmarkt höhere Renditen für diese Kategorien beobachtet werden konnten. Wenn man dann noch wie empfohlen zwischen Nordamerika, Europa und Pazifikraum gemäß Bruttoinlandsprodukt gewichtet, und dies jeweils für Large und Small Caps, landet man bei zehn ETFs für das Gesamtportfolio. Im Abschnitt Umsetzung zeigen wir aber auch eine schlankere Umsetzung mit Übergewichtung Value-Aktien, Nebenwerte und Schwellenländer.

Zu Rohstoffen führt Kommer aus, dass Rohstoffpreise langfristig stagnieren, Rohstoff-Futures jeodch eine Rendite knapp unter der von Industrieländer-Standardwerteaktien bieten. Nicht für die Rendite, sondern zur Diversifikation mit geringer Korrelation zu Aktien und Anleihen sowie erwünschter hoher Korrelation zur Inflation, sollten Rohstoff-Futures über einen breiten Index zu maximal 10% Depotanteil integriert werden. Immobilien werden aufgrund der niedrigen Korrelation zu den Aktienmärkten bei einer in der Vergangenheit realen Rendite zwischen Staatsanleihen und Aktien hinzugefügt.

Umsetzung mit konkreten ETFs

Ein Umsetzungsvorschlag von Kommer ist die Unterteilung der Aktienallokation für entwickelte Märkte im ersten Schritt in Large Cap Value und Small Cap Value (sofern Value-ETFs verfügbar, ansonsten normale Small Cap ETFs), jeweils zu 50%. Im zweiten Schritt wird gemäß Bruttoinlandsprodukt zwischen den Regionen Nordamerika, Westeuropa und Pazifik unterteilt, so dass das angesprochene Depot aus zehn ETFs entsteht (Stand 3. Auflage):

Asset Produkt WKN Kosten p.a. Anteil
Sicherer Anteil
ComStage iBoxx EUR Sovereigns Germany Capped 3m-2 TR UCITS ETF
ETF520
0,12%
30,0%
Large Cap Value Nordamerika
UBS ETF (IE) MSCI USA Value UCITS ETF (USD) A-dis
A1JVB8
0,20%
7,7%
Large Cap Value Westeuropa
iShares Edge MSCI Europe Value Factor UCITS ETF
A12DPP
0,25%
8,5%
Large Cap Value Pazifik
iShares Dow Jones Asia Pacific Select Dividend 30 UCITS ETF
A0H074
0,31%
3,1%
Small Cap Nordamerika
ComStage S&P SmallCap 600 UCITS ETF
ETF123
0,35%
7,7%
Small Cap Westeuropa
ComStage MSCI Europe Small Cap UCITS ETF
ETF126
0,35%
8,5%
Small Cap Japan
iShares MSCI Japan Small Cap UCITS ETF (Dist)
A0Q1YX
0,58%
3,1%
Aktien Schwellenländer
Xtrackers MSCI Emerging Markets UCITS ETF
A12GVR
0,20%
17,5%
Immobilienaktien global
HSBC FTSE EPRA/NAREIT Developed ETF
A1JCM0
0,40%
7,0%
Rohstoffe
iShares Diversified Commodity Swap UCITS ETF (DE)
A0H072
0,46%
7,0%

Alternativen für den risikofreien Anteil sind inflationsgeschützte Staatsanleihen aus dem Euroraum (hier darf die Laufzeit dann auch bis zu 8 Jahren betragen, um die Rendite zu erhöhen), z.B. Xtrackers Global Inflation-Linked Bond UCITS ETF 1C EUR hedged (DBX0AL). Kommer empfiehlt ausdrücklich Rebalancing als renditefördernd. Die Zielallokationen kann dabei regelmäßig im Kalender oder wenn die Abweichung der tatsächlichen Allokation eine maximal tolerierte Differenz überschreitet wiederhergestellt werden.

In späteren Ausgaben wandte sich Kommer immer mehr den Faktorprämien zu, resultierend z.B. in folgender Gestaltung des risikobehafteten Portfolioanteils (Qualität und Momentum als weitere Faktoren neben Value und Small Cap):

MSCI World Small Cap-Index (20 %)
MSCI World Value-Index (20 %)
MSCI World Quality-Index (20 %)
MSCI World Momentum-Index (20 %)
MSCI Emerging Markets IMI-Index (20 %)

Ein Faktorfokus ist auch über integrierte Multi-Faktor-Indizes möglich, die verschiedene Faktoren in einem ETF vereinen, so dass man mit zwei ETFs auskommt (Multi-Faktor-ETFs haben aber oft eine deutlich höhere Kostenquote):

Multifactor Industrieländer, z.B. auf den MSCI World Multifactor Index
Multifactor Schwellenländer, z.B. auf den LibertyQ Emerging Markets Index

Bewertung von Kommers Weltportfolio

Gerd Kommers Leistung zur Verbreitung des passiven Investierens mit ETFs ist durch seine faktenbasierte Argumentation und klare Kommunikation außerordentlich. Souverän Investieren mit Indexfonds und ETFs ist der Klassiker der deutschsprachigen Literatur zum Thema. Er spricht sich für Multi-Asset-Portfolios mit allen Hauptanlageklassen aus, um das erwartete Risiko für ein gegebenes Renditeniveau zu minimieren, setzt jedoch im risikobehafteten Portfolioanteil zu 90% auf Aktien, um von der im Vergleich höchsten Renditeerwartung zu profitieren. Letztlich empfiehlt Kommer ein ETF-Portfolio über Industrie- und Schwellenländer, mit einer 10%-Beimischung von Immobilienaktien- und Rohstoff-ETF auf dem risikobehafteten Anteil.

Prägend für diesen Portfolio-Mix ist ein unterstellt langer Zeithorizont, der die zweifelsohne resultierende hohe Volatilität des Portfolios aushält. Über Erhöhung des sicheren Anteils kann die Volatilität natürlich individuell gesteuert werden, weshalb hier auch keine pauschale Empfehlung ausgesprochen wird. Kommer denkt nicht wie Ray Dalios All Weather Portfolio in ökonomischen Szenarien, in denen Nicht-Aktien-Investments temporär besser performen könnten, sondern setzt auf die langfristige Renditeüberlegenheit von Aktien. Dies wird auch dadurch deutlich, dass er Privatanlegern, die die Komplexität des Portfolios reduzieren wollen, einen Verzicht auf Rohstoff- und Immobilienaktienanteil empfiehlt.

Kommer begründet, warum er andere Assetklassen nicht berücksichtigt. Bei Gold und Unternehmensanleihen stimme das Rendite/Risiko-Verhältnis nicht. Private Equity habe hohe Nebenkosten und in der Vergangenheit unterperformt. Hedgefonds hätten nach Kosten geringere Renditen und würden kaum zur Diversifikation beitragen. Ackerland oder Bitcoin spricht er im Buch nicht an, hat sich aber in Interviews gegen sie als Anlage ausgesprochen.

In der neuesten Ausgabe seines Buchs führt er aus, dass er bzgl. der Frage der Beimischung von Rohstoffen von den Befürwortern zu den Skeptikern gewechselt ist, da es in der Wissenschaft keinen Konsens zur Eignung für den Privatanleger gäbe. Er bestätigt den Diversifikations-Return durch niedrige Korrelation zu anderen Anlageklassen und wünschenswert hoher Korrelation zur Inflation, sieht aber die Renditeerwartung als höchst unsicher an. Daher meine Bewertung im Hinblick auf Multi-Asset: Kommers Weltportfolio hat abgesehen von Aktien und Anleihen nur eine geringe Diversifikation über Anlageklassen und eine resultierend hohe Korrelation zum Aktienmarkt von ca. 0,9.

Vermutlich nicht zu vermeiden für jemanden, der sich wissenschaftlich und unternehmerisch so intensiv mit ETFs beschäftigt, ist der vorgestellte Umsetzungsvorschlag sehr differenziert: zehn ETFs, mit Hinweisen wie noch weitere ETFs hinzugefügt werden könnten. Der Verwaltungs- und Rebalancierungsaufwand ist für die meisten Privatanleger nicht gerechtfertigt. Bei kleineren ETFs auf sehr spezielle Indizes sind die Gebühren zumeist höher (z.B. Small Cap Japan mit 0,58%), ebenso das Risiko, dass der ETF eingestellt wird. Eine einfachere Lösung wäre die Folgende:

Asset Produkt WKN Kosten p.a. Anteil
Sicherer Anteil
Cash
-
-
30,0%
Industrieländer Value
Xtrackers MSCI World Value Factor UCITS ETF 1C
A1103E
0,25%
20,0%
Industrieländer Small Cap
iShares MSCI World Small Cap UCITS ETF
A2DWBY
0,35%
20,0%
Aktien Schwellenländer
Xtrackers MSCI Emerging Markets UCITS ETF
A12GVR
0,20%
15,0%
Immobilienaktien global
HSBC FTSE EPRA/NAREIT Developed ETF
A1JCM0
0,40%
7,5%
Rohstoffe
iShares Diversified Commodity Swap UCITS ETF (DE)
A0H072
0,46%
7,5%
Bewertung des Weltportfolios von Gerd Kommer:
Multi-Asset: sehr aktienlastig, Risikosteuerung über Cash-Quote, geringe Diversifikation über andere Anlageklassen mit resultierender hoher Korrelation zum Aktienmarkt von ca. 0,9 für den Risikoanteil
Chance: 9,5% für den risikobehafteten Anteil von 1980 bis 2016, mit großen Schwankungen über längere Zeiträume (17% von 1978 bis 1985, 3% von 2002-2010)
hohes Risiko durch die hohe Korrelation zum Aktienmarkt: max. Verlust (Drawdown) von 54%, längste Verlustphase (Under-Water Period) 4 Jahre und 9 Monate (Oktober 2007 bis Juli 2012); über einen Cash-Anteil lässt sich das Risiko reduzieren, proportional damit aber auch die Renditeerwartung
Video von extraETF mit Gerd Kommer: So bauen Sie die neuen Kommer Weltportfolios
Gerd Kommer: Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs

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